Kapitel 13

Dante wartete auf die Frau. Sie ging an seiner dunklen Gestalt vorbei, ohne ihn zu bemerken, und dann war es schon viel zu spät, als er mit einer schnellen Bewegung seine Zähne tief in ihre Kehle grub. Dank der Hexen war er nicht in der Lage, menschliches Blut zu trinken, aber das hielt ihn nicht davon ab, ihr die Gurgel herauszureißen.

Ohne auch nur einen Blick an sie zu verschwenden, ließ er ihren leblosen Körper zu Boden fallen und kehrte in die Schatten zurück, um seinen arroganten Komplizen dabei zu beobachten, wie er in die große Kammer schritt, die vor ihnen lag.

Es war ein Kinderspiel gewesen, Amil dazu zu überreden, ihn von den Ketten zu befreien. Das Böse wandte sich immer gegen sich selbst, und der ehrgeizige junge Schnösel war nicht vollkommen dumm. Er wusste recht gut, dass sein Meister nicht zögern würde, ihn dem nahenden Fürsten zum Fraß vorzuwerfen. Das war genau das, was er selbst umgekehrt ebenfalls tun würde, wenn er die Chance dazu erhielte.

Und zum Glück ließ sein übersteigerter Stolz ihn denken, dass er imstande war, die Kontrolle über einen bloßen Vampir zu behalten.

Eine Fehleinschätzung, die zu unterstützen Dante durchaus willens war. Zumindest so lange, wie er gehorsam den mysteriösen Meister ablenkte und dafür sorgte, dass Dante mit Abby davonschleichen konnte.

Sollte er ihm im Weg stehen, so würde Dante dafür sorgen, dass er sehr schnell zur Hölle fuhr.

Dante bewegte sich mit einer Lautlosigkeit, wie es kein Mensch konnte. Er schlich sich hinter Amil, der den Raum durchquerte, um vor einem dünnen, älteren Mann stehen zu bleiben, der mit einer schweren Robe bekleidet war. Der Meister. Dantes Augen verengten sich, als er die Macht spürte, die um den Magier herum schimmerte.

Er war gefährlich.

Sehr gefährlich.

Dante wich tief in die Schatten fern der Flammen zurück. Er wollte dem Magier nicht direkt entgegentreten. Nicht, wenn die Gefahr bestand, dass er getötet wurde, bevor er Abby befreien konnte.

Der Gedanke an Abby ließ seinen Blick instinktiv zu dem Pfosten wandern, an dem sie festgebunden war. Er hatte es absichtlich vermieden, sie zu genau anzusehen. Es reichte ihm zu wissen, dass sie lebte und offenbar unverletzt war. Sich mit ihrem offensichtlichen Leid zu beschäftigen würde ihn nur ablenken, wenn eigentlich Konzentration dringend notwendig war.

Erfüllt von kalter Wut, biss er die Zähne zusammen und bewegte sich weiter durch die Dunkelheit. Er ging auf die beiden Diener in ihren Roben zu, die nur wenige Schritte entfernt standen.

Auf der anderen Seite der Kammer trat Amil unterdessen dem Schwarzmagier entgegen. »Meister.«

Ein eisiges Prickeln der Macht erfüllte die Luft und brachte selbst Dante zum Zittern.

»Warum bist du hier?«, schalt ihn der ältere Mann. »Wo ist Kayla?«

Der jüngere Magier, der zu dumm oder zu arrogant war, um zu bemerken, wie sehr der andere ihm überlegen war, kicherte leise.

»Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, wurde sie von einem sehr wütenden Vampir in Fetzen gerissen.«

Es folgte eine erzürnte Pause. »Du hast es der Bestie gestattet zu entkommen?«

»Gewissermaßen«, antwortete Amil gedehnt.

Dante trat direkt hinter die Diener, die seine Anwesenheit noch nicht bemerkt hatten, und schlang ihnen seine Arme um die Kehle. Mit einer eleganten Bewegung drehte er ihnen die Hälse um, bis sie brachen, und ließ die leblosen Körper dann zu Boden sinken.

Sie hatten ihren Tod nicht kommen sehen, und er war seiner Freiheit einen weiteren Schritt näher.

Der Meister zischte scharf. »Du Dummkopf. Du törichter, gieriger Dummkopf.«

»Nein, kein Dummkopf«, widersprach Amil. »Zumindest bin ich nicht töricht genug, um zuzulassen, dass ich zu Futter für den Fürsten werde, damit Ihr in Eurem Ruhm schwelgen könnt.«

Es folgte eine überraschte Pause, als habe der Meister nicht erwartet, dass seinem Schüler sein endgültiges Schicksal klar werden würde.

»Oh, vielleicht bist du doch nicht ein solcher Dummkopf«, flüsterte er mit kalter Stimme. »Sage mir, Amil, was beabsichtigst du zu tun?«

»Das, was ich von Anfang an hätte tun sollen. Euch töten und selbst den Phönix dem dunklen Herrscher opfern.«

Es war nicht weiter überraschend, dass diese großspurige Ankündigung dem älteren Mann nur ein Lachen entlockte. »Mich töten? Du?«

»Ihr seid schwach durch Euren Kampf mit den Hexen«, prahlte Amil und brachte damit Dante dazu, in der Dunkelheit innezuhalten.

Also war der Magier verantwortlich für das Blutbad unter den Hexen. Verdammt. Je schneller er Abby aus dieser Höhle holte, desto besser.

Dante verschmolz wieder mit den Schatten, um sich hinter den Magier zu schleichen.

»Ihr könnt kaum genügend Macht für einen Beschwörungszauber aufzubringen«, setzte Amil nach.

Etwas, was möglicherweise ein Lächeln war, kräuselte die dünnen Lippen des Magiers, als dieser nach dem Medaillon griff, das ihm um den Hals hing.

»Ich bin nicht so schwach, wie du glaubst.« Er zielte auf den jüngeren Mann und schleuderte ihm seine Macht entgegen.

Abby war sich sehr wohl bewusst, dass sich irgendeine Art von mystischem Kampf zwischen den beiden mit Roben bekleideten Männern zusammenbraute. Es war auch schwer, das nicht zu bemerken, da der Jüngere der beiden unvermittelt gegen die Wand am anderen Ende des Raumes geschleudert wurde, nur um sich wieder aufzurappeln und sich auf den älteren Mann zu stürzen.

Trotzdem galt ihre Aufmerksamkeit nicht den miteinander kämpfenden Magiern.

Sie hatte Dante in dem Moment gespürt, als er den Raum betreten hatte. Eine wilde Freude, die fast ihr Herz stillstehen ließ, hatte sie durchzuckt, als sie ihn endlich ausgemacht hatte, während er durch die Schatten schlich.

Er war am Leben und frei, und er war auf dem besten Wege, sie von diesem schrecklichen Ort wegzubringen.

Und dann hatte ihre Freude nachgelassen, als das Licht geflackert und sie den blutroten Fleck gesehen hatte, der auf seinem Hemd prangte. Sie erinnerte sich vage, dass der junge Mann mit der Robe behauptet hatte, ein Vampir reiße diese Frau namens Kayla in Fetzen, aber irgendwie hatte sie das nicht mit Dante in Verbindung gebracht. Nicht, bis sie beobachtet hatte, wie er aus den Schatten geschlüpft war, um die beiden Diener mit schneller und tödlicher Leichtigkeit ins Jenseits zu befördern.

Er war der stille, leichtfüßige Tod. Ein rücksichtsloser Killer, der ohne Gnade seine Beute schlug.

Ihr lief ein Schauder über den Rücken, als sie in seinem Gesicht forschte, das zu einer mitleidslosen Maske erstarrt war, und den Augen, in denen ein eisiges Feuer silbern glitzerte.

Das hier war der Vampir, vor dem er sie gewarnt hatte. Der Dämon, der hinter diesem Bild von einem Mann lauerte.

Eine Gänsehaut überlief sie.

Aber der Grund war nicht Angst. Vielleicht war es lächerlich naiv, aber sie glaubte einfach nicht, dass er ihr etwas antun konnte. Wenigstens nicht absichtlich.

Es war eher das Wissen, dass sie inzwischen Dante als... was betrachtete? Ihren Freund? Ihren Liebhaber? Sie wusste es einfach nicht.

Und jetzt war nicht die richtige Zeit, über dermaßen idiotische Dinge nachzudenken, schimpfte sie sich insgeheim selbst aus.

Du meine Güte, wenn Dante nicht ihre Fesseln löste und sie aus der Höhle brachte, würde sie als Mitternachtsimbiss für irgendeinen bösen Geist enden. Das war doch wohl wichtiger als ihr Liebesleben, oder?

Ein wütender Aufschrei und der Klang eines Handgemenges waren von den beiden Männern zu hören, die mitten in der Kammer kämpften, und ein kribbelndes Gefühl von Elektrizität lag in der Luft, aber Abby weigerte sich, den Blick von dem Vampir abzuwenden, der immer näher kam.

Sie wusste, dass sie in Sicherheit war, solange sie Dante sehen konnte.

Das war vielleicht eine lächerliche Einbildung, aber was sollte eine verängstigte Frau, die bald geopfert werden sollte, schon tun?

Abby, die durch den Knebel in ihrem Mund nicht im Stande war, auch nur zu wimmern, sah zu, wie Dante sich ihr immer mehr näherte. Er wandte den Blick nicht von ihrem Gesicht ab, als ob er sie damit zwingen wollte, nicht in Panik zu geraten.

Na klar.

Nur die Stricke, die sie an den Pfahl fesselten, und der Knebel hielten sie davon ab, vor Panik brabbelnd zusammenzubrechen.

Abby Barlow, die Retterin der Welt.

Dante, der vorsichtig dem in der Mitte der Kammer tobenden Kampf auszuweichen versuchte, strebte durch die Dunkelheit auf sie zu.

Abbys Herz blieb beinahe stehen, als er hinter sie trat. Sie konnte ihn nicht mehr sehen. Was wäre, wenn er verschwand? Was, wenn es noch mehr Bösewichter gab, die sich versteckt hielten...

Die Berührung kühler, schlanker Finger an ihrem Handgelenk machte ihren sinnlosen Gedanken ein Ende. Abby hätte vor Erleichterung in Tränen ausbrechen können, wäre sie sich nicht darüber im Klaren gewesen, dass sie noch immer weit davon entfernt waren, in Sicherheit zu sein.

Die Stricke fielen zu Boden, und ein schmerzhaftes Kribbeln bildete sich in ihren Armen, als ihr das Blut endlich wieder durch die Adern strömte. Abby spürte Dantes Lippen an ihrem Ohr, als er sich abmühte, ihr den Knebel aus dem Mund zu nehmen.

»Sag nichts«, flüsterte er und wartete ihr Nicken ab, bevor er den widerwärtigen Lumpen herausnahm und fallen ließ.

Abby atmete mehrmals tief ein, während sie einen Schritt nach vorn trat, direkt in Dantes ausgebreitete Arme. Er zog sie eng an sich, als ob er spürte, dass sie ohne seine Hilfe zusammenbräche. Allerdings hinderte ihr schwacher Zustand ihn nicht daran, ihre wackeligen Beine dazu zu zwingen, sie in Richtung der schmalen Türöffnung am anderen Ende der Kammer zu tragen.

Abby biss sich auf die Lippen, um sich davon abzuhalten, instinktiv zu protestieren. Sie war seit Stunden an den Pfahl gefesselt gewesen, und ihr gesamter Körper fühlte sich an, als sei er durch die Mangel gedreht worden. Dennoch war sie nicht begieriger darauf als Dante, noch mehr Zeit in dieser feuchtkalten Zelle zu verbringen.

Nicht, wenn dieser Schwachkopf mit der käsigen Visage sie als kleine Leckerei für Fürst Arschloch ansah.

Sie hatten gerade die enge Türöffnung erreicht, als ein beängstigendes Kreischen hinter ihnen ertönte.

»Nein!«, schrie der jüngere Mann. »Ich ergebe mich! Ich...«

Es folgte ein grauenhaftes gurgelndes Geräusch, und dann lag ein Hauch von versengtem Fleisch in der Luft.

Abby würgte noch, während Dante sie bereits über die Schulter warf und durch den dunklen Gang schoss. Dieses Mal bemerkte sie nicht einmal die Übelkeit, die sie durch die Schaukelbewegung überkam. Das war das Gute an absoluter, lähmender Angst. Sie war dazu angetan, alles andere in die richtige Perspektive zu rücken. Als Abby sich mit einer Geschwindigkeit durch die, Dunkelheit bewegte, die sich den Naturgesetzen widersetzte, betete sie insgeheim zu jeder Gottheit, die ihr einfiel. Es schien ein geeigneter Moment zu sein, um alle Möglichkeiten abzudecken.

Letzten Endes konnte man nicht wissen, wer zuhörte, oder?

Die Zeit hatte keine Bedeutung, aber allmählich spürte Abby, dass sie sich stetig nach oben bewegten. Und dann fühlte sie ohne Vorwarnung plötzlich, wie unverkennbar ein Schwall frischer Luft über ihre Wangen strich.

Oh, vielen Dank, vielen Dank, vielen Dank, hauchte sie gen Himmel.

Sie hatten die düsteren Höhlen hinter sich gelassen.

Und das Beste war, dass es keine Spur von irgendeiner Verfolgung zu geben schien.

Dennoch wurde Dante nicht langsamer. Scheinbar unbeeindruckt von Abbys Gewicht (was zu jeder anderen Zeit eine Beruhigung für ihre Eitelkeit gewesen wäre), stürmte er über einen überwucherten Friedhof und an einer verlassenen Kirche vorbei. Abby meinte einige schäbige Häuser zu erblicken, aber sie rasten in einem solchen Tempo an ihnen vorbei, dass sie sie nur verschwommen erkennen konnte und sich nicht sicher war, ob sie sie wirklich sah.

Erst als sie ein ganzes Stück von den Höhlen entfernt waren, wurde Dante schließlich langsamer und stellte Abby wieder sanft auf die Beine. Sofort begann sie zu schwanken, und Dante schlang schnell den Arm um ihre Taille, um sie zu stützen.

»Hat dir jemand etwas angetan?«, knurrte er, wobei er ihr prüfend ins Gesicht blickte.

Abby erbebte unter dem durchdringenden Glitzern seiner Augen und zwang sich dann, sich zu entspannen.

Das hier war Dante.

Der wunderschöne, unglaubliche Vampir, der ihr gerade das Leben gerettet hatte.

»Nichts, was zwanzig Jahre Therapie nicht kurieren könnten«, gab sie mit zitternder Stimme zurück. »Wer waren diese Freaks? Dämonen?«

Wütend weiteten sich seine Nasenflügel. »Sie waren durchaus menschlich. Sterbliche Jünger.«

Nun ja, das wäre nicht ihre erste Vermutung gewesen.

»Jünger?«

»Leute, die den Fürsten anbeten«, erklärte er. »Du würdest sie Magier nennen.«

Ah. So viel zu freundlichen alten Männern mit langen weißen Barten und einem verschmitzten Augenzwinkern.

»Das erklärt die Magie, nehme ich an.«

»Eine Magie, die mächtiger ist, als dass ein einzelner Mensch über sie verfügen sollte.« Dante war anzusehen, dass dieser Gedanke ihm Sorgen bereitete. Und das bereitete wiederum Abby Sorgen. Und zwar nicht wenige. »Es war der ältere Magier, der den Hexenzirkel angegriffen hat.«

»Du lieber Gott.« Abby gefror das Blut in den Adern, als sie sich in Erinnerung rief, was er den Hexen angetan hatte. Wie konnte ein Mensch solch grausame Taten begehen?

»Er wollte mich an diesen... Fürsten verfüttern.«

»Ja. Wenn der Phönix vernichtet worden wäre, würde der Fürst wieder frei auf Erden wandeln.«

»Ein Zauberer. Einfach perfekt.« Abby schüttelte den Kopf. »Ich nehme an, er wird sich den Dämonen und Zombies anschließen, die uns verfolgen?«

»Hoffendich nicht sofort. Die Kämpfe mit den Hexen und dem jungen Amil werden ihn geschwächt haben. Ich glaube nicht, dass er im Augenblick auf eine Auseinandersetzung mit mir versessen ist.«

Abbys Blick verfinsterte sich, ohne dass sie es bemerkte.

»Nein, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er es damit eilig hat.«

Es dauerte einen Moment, bis Dante unvermittelt mit festem Griff ihre Schultern packte. Sein Gesicht trug im trüben Mondlicht einen ernsten Ausdruck.

»Ich habe dich gewarnt, Abby«, sagte er mit heiserer Stimme. »Ich bin ein Vampir. Ein Raubtier. Und nichts kann etwas daran ändern.«

Instinktiv hob sie die Hand, um sie auf seine Wange zu legen. Seine Haut war kalt und glatt unter ihrer Handfläche und sandte ein vertrautes Gefühl der Erregung durch ihren Körper.

»Ich weiß.«

Mit einer Zärtlichkeit, die ihr Herz zum Hüpfen brachte, strich Dante Abby die Haare hinter die Ohren.

»Habe ich dir Angst gemacht?«

»Vielleicht ein bisschen«, gestand sie leise.

Etwas wie Schmerz flackerte in Dantes Augen auf.

»Ich würde dir niemals etwas tun. Gleichgültig, was auch geschieht.«

Abby, die eng an ihn geschmiegt dastand, zweifelte nicht einen Moment an seinen Worten. »Davor hatte ich keine Angst.«

»Wovor dann?«

»Mir wurde einfach klar, dass du recht hattest. Wir sind sehr unterschiedlich. Gott, ich bin mir nicht sicher, ob wir überhaupt der gleichen Spezies angehören.«

Dante schloss die Arme fester um ihre Taille. »Unterschiedlich, aber verbunden, Liebste. Zumindest, bis der Phönix an jemand anderen weitergegeben werden kann.« Er hielt ihrem Blick mühelos stand. »Vertraust du mir, Abby?«

Sie zögerte nicht. »Mit meinem Leben.«

Merkwürdigerweise führte ihre prompte Zusicherung dazu, dass Dantes Körper sich anspannte. Als sei er auf ihre bereitwillige Vertrauenserklärung nicht vorbereitet gewesen.

»Ich... O Gott, Abby, wenn du nur wüsstest«, murmelte er und senkte den Kopf, um seine Lippen zärtlich auf ihren Mund zu drücken.

Abby presste sich willig an ihn, während ihre Arme sich um seinen Hals schlangen. Sie brauchte ihn so sehr. Seine Berührung. Seine Stärke. Seinen Trost.

Sanft linderte er das Grauen der vergangenen Stunden. Seine Lippen streiften über ihren Mund, und seine Hände umfassten ihre Hüften.

Abby warf den Kopf nach hinten und stöhnte, als er seine Aufmerksamkeit der sensiblen Halsmulde zuwandte und mit den Zähnen über ihre Halsschlagader fuhr, deren Puls mit zunehmender Erregung immer schneller wurde.

»Wenn ich nur was wüsste?«, fragte sie ihn atemlos.

Seine Hände verkrampften sich um ihre Hüften, bevor er sich weit genug zurückzog, um sie mit umwölktem Blick anzusehen.

»Wie lange es her ist, dass ich als etwas anderes als ein tollwütiges Tier behandelt wurde.«

Abbys Herz krampfte sich zusammen, und sie strich mit den Fingern über Dantes sinnliche Lippen. Sie kannte das Gefühl, ungewollt zu sein und in ihrem eigenen Zuhause verachtet zu werden, nur zu gut. Das Gefühl, brutal in ihre Schranken verwiesen zu werden, wenn sie es wagte, sich ihrem Vater zu widersetzen.

Wie Dante es geschafft hatte, seine Gefangenschaft mehrere Jahrhunderte lang auszuhalten, war ihr unbegreiflich.

»Es tut mir so leid«, flüsterte sie mit rauer Stimme. »Niemand verdient es, gegen seinen Willen in Ketten gelegt und gefangen gehalten zu werden.« Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. »Ich schwöre, dass ich tun werde, was auch immer ich kann, um dich zu befreien.«

Seine Augen blitzten auf, als er sie mit einer Leidenschaft küsste, die sie bis in ihre Seele spüren konnte. Abby stöhnte auf, und ihre Zehen krümmten sich vor Lust. Oja, dieser Vampir wusste so einiges über das Küssen. Eine Frau konnte eine Ewigkeit in seinen Armen verbringen.

Sie ließ ihre Hände durch sein seidiges Haar gleiten und versank in der brodelnden Hitze. Sie war entgegen allen Erwartungen noch am Leben. Sie hatte die Absicht, jeden Moment dessen, was ihr geschenkt worden war, zu genießen.

Dantes Hände glitten über die Kurve ihrer Wirbelsäule, während sein Kuss immer intensiver wurde.

Abby vergaß die Schwarzmagier, die abscheulichen Zombies und die verschwundenen Hexen. Sie vergaß alles außer der glühenden Lust, die Dantes Berührungen in ihr hervorriefen.

Monatelang hatte sie von diesem Mann geträumt. Nun, da sie am eigenen Leib erfahren hatte, was für ein Liebhaber er war, war ihr Hunger nach ihm fast unerträglich.

Abby hörte Dantes Stöhnen, als seine Hände ihre weichen Brüste umfassten. Aber gerade in dem Augenblick, als sie sich seiner Berührung entgegendrängte, zog er sich widerstrebend zurück.

»Jesus, was mache ich hier?«, murmelte er und fuhr sich barsch mit den Händen durchs Haar. »Wir sollten gehen, bevor wir durch meine Schuld wieder gefangen werden.«

Dante nahm Abbys Hand und führte sie durch den immer dichter werdenden Wald hindurch, wobei er leise über seine kurze Zerstreutheit schimpfte.

Abby murmelte ebenfalls vor sich hin. Natürlich war sie sehr dafür, sich weit von dem verrückten Zauberer und seiner Zombieclique zu entfernen. Mehrere Weltmeere zwischen sich und diese Bagage zu wünschen schien keine Uberreaktion zu sein.

Aber sie konnte nicht leugnen, dass sie leicht frustriert war.

Nur einmal wollte sie mit Dante allein sein, ohne dass die Bedrohung durch einen schrecklichen Tod über ihren Köpfen hing.

Sie wollte doch nur ein paar mickrige Stunden, in denen sie völlige Ruhe hatten, um sich miteinander zu vergnügen. Dass ihnen das verweigert wurde, war mehr als genug, um Missmut in einer Frau hervorzurufen.

Sie gingen still nebeneinanderher, scheinbar eine Ewigkeit lang. Ab und zu bestand Dante darauf, Abby zu tragen, so dass sie schneller waren, aber da sie das Gefühl der Hilflosigkeit nicht mochte, zog sie es vor, hinter ihm herzulaufen. Selbst wenn das bedeutete, über jeden einzelnen Ast und Busch zu stolpern, von denen der Wald voll war. Verdammte Natur.

Schließlich begann sie sich zu fragen, ob Dante beabsichtigte, sie den Rest der Nacht im Kreis herumlaufen zu lassen.

»Weißt du eigentlich, wohin wir gehen?«, fragte sie argwöhnisch.

»Wir holen Hilfe«, antwortete er, ohne anzuhalten. »Ich habe die Absicht, das nächste Mal, wenn ich diesen Zombies begegne, etwas bei mir zu haben, was diese Hurensöhne das Fürchten lehren wird.«

Sie hatte nichts dagegen einzuwenden.

»Guter Plan. Wo ist dieses Etwas?«

»In Chicago.«

»Lass mich raten... Viper«, meinte sie trocken.

Das brachte ihr einen raschen Blick über die Schulter ein. »Woher weißt du das?«

»Er scheint der Typ zu sein, der von Dingen fasziniert ist, vor denen Zombies Angst haben könnten.«

»Du hast ja keine Ahnung.« Er blieb abrupt stehen. Glücklicherweise hatten sie die Bäume hinter sich gelassen und standen nun auf etwas, was einst ein Feld gewesen zu sein schien.

»Warte.« Abby entfernte Dinge aus ihrem Haar, von denen sie inständig hoffte, dass es sich dabei um Stücke von Blättern und Zweigen handelte, und sah Dante mit einem leichten Stirnrunzeln an.

»Sag mir nicht, dass du dich verirrt hast.«

Er drehte sich um und hob die Augenbrauen. »Ich verirre mich nie.«

Abby rollte mit den Augen. »Gesprochen wie ein wahrer Mann.«

Mit einem selbstgefälligen Lächeln machte er sich erneut auf den Weg. »Hier entlang.«

»Bist du sicher?«, fragte sie. »Du führst mich nicht einfach nur herum, bis wir zufällig auf das Auto stoßen?«

»Wurdest du schon als Plagegeist geboren, oder ist das eine Eigenschaft, die du nur entwickelt hast, um mich zu ärgern?«

Abbys Lippen zuckten. Sie konnte nicht leugnen, dass sie es genoss, Dante zu ärgern. Natürlich war das seine eigene Schuld.

Er sollte nicht so arrogant sein.

»Schmeichle dir nicht selbst. Ich war schon immer so ein Plagegeist.«

»Also, das glaube ich dir«, murmelte er, bevor er ihr über die Schulter ein gönnerhaftes Lächeln zuwarf, während er auf die Umrisse der verlassenen Fabrikgebäude deutete, die nicht weit entfernt links von ihnen lagen. »Dort hinten.«

Abby rümpfte die Nase, obwohl sie innerlich erleichtert aufseufzte, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr weit von Vipers Wagen entfernt waren. Sie würde ihre Seele verkaufen, um ihre schmerzenden Beine ausruhen zu können.

»Du solltest nicht grinsen. Das ist unvorteilhaft.«

Dante lachte leise, als er das Auto erreichte und sich mit seinem großen Körper gegen die Motorhaube lehnte. Gebadet in Mondlicht, das Hemd halb geöffnet und mit dem wallenden Haar um sein perfektes Gesicht, wirkte er groß, dunkel und verführerisch.

In der Tat eine appetitliche Kühlerfigur.

Er kreuzte die Arme vor der Brust und ließ langsam ein unverschämt ungehöriges Lächeln über seine Lippen gleiten.

»Ich glaube, du schuldest mir eine Entschuldigung, weil du meine außergewöhnlichen Kräfte auch nur einen Moment lang bezweifelt hast.«

Abby musste dagegen ankämpfen, zu seinen Füßen dahinzuschmelzen.

Immerhin hatte sie zumindest etwas Stolz.

»Was für eine Art von Entschuldigung?«

Das Lächeln wurde breiter. »Ich habe da ein paar Ideen. Leider umfassen die ein weiches Bett, Duftkerzen und eine Menge Schlagsahne, und mir steht nichts davon zur Verfügung.«

Abbys Mund wurde trocken. »Vampire essen Schlagsahne?«

»Ich habe nicht vor, derjenige zu sein, der sie isst.«

Oh. Die Luft schien plötzlich zu dick zum Atmen zu werden.

Ohne jeden Zweifel hatte das mit dem Bild zu tun, das vor Abbys geistigem Auge auftauchte und das Dante zeigte, wie er ausgestreckt auf einem Bett lag, während sie eine Schicht Schlagsahne von seinem Körper leckte.

»Du bist schamlos«, keuchte sie.

Er warf einen Blick zu dem verhangenen Himmel. »Schamlos und tot, wenn wir uns nicht beeilen. Chicago kommt nicht näher. Es wird sowieso schon eine knappe Angelegenheit.«

Abby versuchte sich zu konzentrieren und zu bestimmen, wie viele Stunden der Nacht schon vergangen waren. Ein dummer Versuch. Für sie brach der Morgen dann an, wenn ihr Wecker klingelte, normalerweise fünf-oder sechsmal.

»Wenn du dir Sorgen machst, warum lässt du mich dann nicht ans Steuer, und du versteckst dich im Kofferraum?«

»Besser nicht.«

»Warum nicht?«

Es war eine sehr vernünftige Lösung.

Natürlich war er ein Mann, mal abgesehen von dem Vorzug, dass er außerdem ein Vampir war. Und auf typische Männerart sah er sie an, als habe sie vorgeschlagen, er solle sich selbst kastrieren.

»Ich ziehe es vor, Sonneneinstrahlung zu riskieren.«

Sie kniff die Lippen zusammen. »Willst du damit sagen, dass eine Frau nicht so gut fährt wie ein Mann?«

»Ich will damit sagen, dass ich mich nur dann in diesen Kofferraum begebe, wenn du mir Gesellschaft leistest«, meinte er trocken. »Außerdem: Wenn Viper an seinem Wagen auch nur einen Kratzer findet, wird meine Verwandlung in einen Aschehaufen die kleinste meiner Sorgen sein.«

»Und warum denkst du, dass ich seinem Wagen einen Kratzer ...«

Abbys Worte wurden rüde unterbrochen, und zwar einfach dadurch, dass Dante die Hand ausstreckte und sie an seine Brust zog. Dann verschluss er ihr die Lippen mit einem kurzen, leidenschaftlichen Kuss.

»Bitte, Liebste, können wir diesen Streit im Auto weiterführen?«, murmelte er an ihrem Mund.

»Oh, wir werden ihn durchaus weiterführen«, warnte sie ihn vor. Sie hatte nicht die Absicht, sich so leicht manipulieren zu lassen. Wenigstens nicht, bevor sie mit der Schlagsahne in diesem warmen Bett lagen. »Darauf kannst du dich verlassen.«